Archiv für den Monat: Juni 2019

Gastbeitrag: Die L4n und der Klimawandel

Trotz Klimawandel und Artensterben weiter Straßen zu bauen und Landschaftsschutzgebiete zu zerstören, erscheint vielen Einwohnern aus Hünxe und Dinslaken absurd.

Die Fakten:

Klimawandel und Artensterben haben es geschafft, die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit zu erreichen. 71 Prozent der Deutschen sehen den Klimawandel als größte Bedrohung für die Zukunft.

Der UN Klimarat gibt uns noch 10 Jahre für einschneidende Maßnahmen, um die Erderwärmung nicht vollends in einer Katastrophe enden zu lassen. Gravierende Auswirkungen sind bereits jetzt kaum mehr Aufzuhalten.

Die Dürre in Deutschland 2018 zeigte bereits in welche Richtung es geht: Es entstanden durch Ernteausfälle in der Landwirtschaft, Ertragseinbußen in der Industrie und Abschaltung von Kraftwerken Kosten im Milliardenbereich.

In NRW ist die Biomasse der Fluginsekten seit 1989 mancherorts um bis zu 80 Prozent zurückgegangen, 56% weniger Vögel sind in unserem Bundesland unterwegs. Klimawandel und Artensterben stehen in direktem Bezug zueinander und verstärken sich gegenseitig.

In Nordrhein-Westfalen aber sehen Landesregierung und manche Kommunen keinen anderen Weg dem wachsenden Verkehrsaufkommen zu begegnen, als neue Straßen zu bauen, weitere Flächen zu versiegeln und Ökosysteme zu zerstören.

Und das obwohl ein Fünftel des in Deutschland ausgestoßenen CO2 auf das Konto des Verkehrs geht. Der überwiegende Teil davon stammt aus den Abgasen von Autos, Lastwagen und Motorrädern. Die vom Verkehr produzierten CO2-Emissionen steigen weiterhin ungebremst an.

Und das obwohl Expertengruppen wie z.B. der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums oder der oberste Wirtschaftsweise der Bundesregierung zu einer Verringerung des Straßenverkehrs zugunsten eines Ausbaus des Nahverkehrs raten.

Das Verkehrsministerium NRW scheint die Ratschläge dieser Experten zu ignorieren. Es verweist darauf, dass Klimaschutz über die Einführung neuer Antriebstechnologien geschehen sollte. Ein solche Verschiebung des Klimaschutzes auf die die Zukunft wird jedoch nicht reichen.

Auch Elektroautos müssen gebaut werden und verbrauchen dabei Ressourcen. Der durchgerechnete Klima-Vorteil eines 3 Tonnen Elektro-SUV ist bescheiden. Bei ungebremsten Wachstum des Verkehrsaufkommens werden diese Vorteile in der Gesamtbilanz schnell zunichte gemacht.

Es ist also Zeit nicht nur über das Konzept einer “Verkehrswende“ zu sprechen, sondern auch danach zu handeln. Auf kommunaler Ebene, auf Landesebene, auf Bundesebene, weltweit.

Wir müssen in neue Technologien und Verkehrskonzepte investieren, um unsere Probleme zu lösen, und sie nicht weiter verschärfen. Es geht nicht um romantische Idealvorstellungen sondern um wirtschaftlich rationales Handeln.

Ein Beispiel zeigt den Zustand des Nahverkehrssystems in der Region: Um mit Bus und Bahn von Dinslaken Bruch nach Wesel zu kommen brauche ich über eine Stunde, je nach Tageszeit im Ein-Stunden Takt. Mit dem Auto benötige ich für die gleiche Strecke circa 20 Minuten.

Statt weiter Geld in den Straßenbau zu stecken müssen neue Nahverkehrskonzepte wie z.B. Ridesharing und Anrufbusse gefördert werden. Es existieren bereits sehr erfolgreiche Pilot-Projekte z.B. myBUS in Duisburg oder Berlkönig in Berlin. Statt weiter den Autoverkehr zu fördern muss die Möglichkeit geschaffen werden, das Auto stehen zu lassen und den Nahverkehr zu benutzen. Und dazu muss der Nahverkehr bequem, effizient und kostengünstig werden.

Ja, das wird teuer. Aber mit Sicherheit billiger als die Auswirkungen eines ungebremsten Klimawandels auf die deutsche Industrie und Landwirtschaft, auf das gesamte Bruttoinlandsprodukt.

PS: Den Start des Dialogprozesses zu Planung der L4n empfinde ich als sehr enttäuschend. Die Aussage des Verkehrsministeriums, dass die Straße in jedem Fall gebaut wird, lässt wenig Raum für einen ernsthaften Dialog.

Meiner Meinung nach ist es relativ egal, ob die Straße ein paar Meter weiter rechts oder links gebaut wird. Die Auswirkungen auf die Umwelt und die Anwohner werden auf beiden Seiten annähernd die gleichen sein.

Ich finde es ebenso schade, dass die Bewohner von Hünxe und Dinslaken hier so wenig zusammenfinden. Nur ein gemeinsamer Protest kann Erfolg haben.

Spätestens bei der nächsten Kommunal- und Landtagswahl!

Tomás Cabral, Dinslaken

Quellen:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/rhein-niedrigwasser-basf-machte-2018-23prozent-weniger-gewinn-16060586.html
https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%BCrre_und_Hitze_in_Europa_2018#Auswirkungen https://www.zdf.de/nachrichten/heute/hitze-und-duerre-in-deutschland-100.html https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-07/duerre-landwirtschaft-joachim-rukvied-bauernverbandannalena-baerbock
https://www.tagesschau.de/ausland/umfrage-klimawandel-pew-101.html
https://www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-antrieb/alternative-antriebe/studie-oekobilanz-pkwantriebe-2018/
https://www.mdr.de/wissen/permafrost-eisflaeche-mehr-kosten-durch-klimawandel-100.html https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#textpart-2